European Southern Observatory Pascal Sidler

Zeiten:

Eröffnung: Sonntag, 27. Oktober 2019, 14–16 Uhr

Geöffnet: 28. Oktober – 01. Dezember 2019

Alle Fotos mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin.
Fotografie: Flavio Karrer.

Täglich findet eine Begegnung mit einer Vielzahl von Bildern statt. Digitale Fotografie und Vertriebskanäle entziehen dem Bild zwar keineswegs ihren Wert, die Kosten und Mühen für die Erstellung und Verbreitung sind aber gegenüber analoger Fotografie und gedruckten Produkten tiefer. Wo eine gedruckte Publikation alle Jubeljahre zu Jahrestagen oder aussergewöhnlichen Projekten von denen, die es sich leisten konnten, aufgelegt und herausgegeben wurde, werden Bilder heute direkt und mit überschaubarem Transferaufwand einem breiten Publikum zur Verfügung gestellt.

In European Southern Observatory betrachtet Pascal Sidler die Anhäufung von Bildmaterial und ihre Übertragung ins Archiv mit dem Blick des Malers. Ist bei einer gedruckten Publikation jede Entscheidung über den Einbezug eines Bildes eine Aufwands- und Kostenfrage, so trifft dies in der Malerei wohl noch umso mehr zu. Nicht-physischen oder digitalen Bildarchiven sind dabei kaum Grenzen gesetzt, denn besteht ein solches Archiv erst einmal, ist die Hinzufügung von Bildern ein mit wenig Aufwand und Kosten verbundener Vorgang.

Das European Southern Observatory, kurz ESO, ist eine Forschungsstätte für Astronomie und Astrophysik und betreibt mehrere Teleskope in Chile. 16 Europäische Staaten kooperieren mit Chile bei der Finanzierung und dem Betrieb der Teleskope. Es spielen also nicht nur beim Betrieb eine Vielzahl verschiedener Interessen eine Rolle: Es ist anzunehmen, dass politische, wissenschaftliche, ökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen auch bei der Erstellung eines vermeintlich neutralen Bildarchivs und des darin befindlichen Materials Einfluss ausüben.

Pascal Sidler versteht es, mit seiner über 500 Bilder fassenden Bearbeitung des Archivs des ESO, jedes einzelne Bild einer eingehenden Betrachtung und Übersetzung zu unterziehen. Die, auf den ersten Blick kaum verhandelte Verbreitung von Bildmaterial durch das ESO, erhält durch die Masse der Bilder eine absurde Ernsthaftigkeit, weil jedes einzelne Bild ernst genommen wird, in der Fülle aber unmöglich ernst genommen werden kann.

Die Eleganz des konzeptionellen Ansatzes der Serie entsteht also nicht zuletzt auch durch den Effekt, der sich beim Betrachten der 451 in den Räumen gehängten Arbeiten einstellt. Erst durch die Begegnung mit der physischen Präsenz des gemalten Bildes stellt sich eine Überforderung und ein Unbehagen ein, welches sich bei der Ansicht der Bilder innerhalb des Webbrowsers nicht einmal im Entferntesten bemerkbar zu machen weiss.

Wie die Übelkeit, die sich beim Lesen eines Buches auf der vibrierenden Rückbank eines Autos einstellt, weil die Augen sich ständig neu fokussieren müssen, fordert European Southern Observatory die Sinne bis an die Grenzen heraus. Pascal Sidler schafft es also mit einer einfach scheinenden Übersetzung, eine Vielzahl von Feldern aufzutun, die von Bildbetrachtung und -Theorie, Archiven, mnemonischen Techniken, Technologien und Herangehensweisen bis zur Suche nach ausserirdischem Leben und den Grundlagen und Bedingungen intraeuropäischer Zusammenarbeit reicht.

- Clifford E. Bruckmann