Memory Mold Tamara Vepkhvadze, Medjid Sopi, Luca Büchler, Amélie Bodenmann
Zeiten:
Eröffnung: Sonntag, 29. September 2024, 17–22 Uhr
Geöffnet: 30. September – 27. Oktober 2024
Nach einer längeren Sommerpause laden Sophie und Etienne heute zu ihrer ersten Ausstellung im Hamlet ein. Vor einiger Zeit haben wir gemeinsam Julias und Antonias Ausstellungsprojekt Im Grafenhag in Winterthur besucht. Damals wussten wir noch nicht, dass die beiden später auch das Hamlet übernehmen würden. Ich kannte Antonia von einem Kunstgeschichte-Seminar, sie lud mich zur Ausstellung ein und ich brachte Sophie und Etienne mit. In der Zwischenzeit habe ich das Studium in Kunstgeschichte abgebrochen und sie haben sich angefreundet. Mit der freundlichen Unterstützung des Kantons Zürich, aber vor allem durch die entstandene Freundschaft, entstand Divided Studios: Ein kuratorisches Projekt von Sophie und Etienne.
Luca Büchler zeigt Büroklammern und ein Stück Stoff. Der Stoff verdeckt zurückgelassene Werke von vergangenen Ausstellungen im Hamlet. Die Klammern hängen als Ketten von der Decke. Schlicht und unaufgeregt wurden sie aneinandergehängt, abgesehen von zwei Ausnahmen, die zu einer herz- oder pfeilartigen Form zurechtgebogen wurden. So genau liess sich das nicht erkennen. Sie könnten direkt in die Seele zielen – oder aber die Richtung in den angrenzenden Raum weisen. Luca Büchlers Arbeit wirkt auf der visuellen Ebene zart und geschmeidig. Ganz direkt würde ich behaupten, dass sich seine Materialien aus der Perspektive des 21. Jahrhunderts nach einer Art pastoralen Landschaft anfühlen. Ja, Schafe und Weiden sind Motive, doch sie bilden auch eine Form der Wahr- nehmung. Es ist die Art und Weise, wie sie in einen Bilderrahmen gesetzt werden. Und wie bei deren Betrachtung Auge und Gedanken einander freundschaftlich erscheinen. Luca Büchlers Arbeit erinnert an einen ausgeraubten Dungeon aus The Legend of Zelda. Es liegt in den Symbolen und im Stoff, der – geformt durch das, was er selbst verdeckt – architektonisch wirkt.
Zwei Arbeiten von Tamara Vepkhvadze hängen zusammen mit Luca Büchlers Büroklammern im ersten Raum. Holzplanken mit Löchern und Nägeln und Silikonschläuchen an einer Wand. Teilweise hastig, in unterschiedlichen Far- ben und mit dickem Pinselstrich bemalt. Ich würde sie irgendwie als lustige Werke bezeichnen. Tamara Vepkhvadze geht in ihrer Arbeit vor wie es eine Ratte, ein Specht oder eine Person mit intrusive thoughts tun würde. Ich mag den Gedanken, dass ihre Arbeit aus der Zukunftsfaszination eines kleinen Mädchens entstanden sein könnte. Vielleicht mochte sie den gelben Roboter, der aussieht wie ein Hund. Von dem sie irgendwo mal erfahren hat und dessen Erscheinung ihr gefiel, worauf sie möglicherweise zu Hause am Esstisch ihren Eltern davon erzählte. Die El- tern, einfache Leute, verstanden Ihre Faszination nicht. Also formulierte sie ihre Gedanken neu, nutzte simples und greifbares Vokabular, wobei sie versuchte, den Kern ihrer Aussage irgendwo in der Grammatik noch zu erhalten. Als hätte sie einen Roboter von einer Klippe gestossen, worauf dieser ins Tal herunterfiel. Nun liegt er auf einem Stück Wiese, kaputt und entfremdet.
Amélie Bodenmanns Eisskulpturen, Gläser und Aschenbecher, haben auf dem Simsen Platz genommen. Ein klares Bild hat meine vage Meinung zu den Arbeiten geformt: Ugo Rodinones ligurian sea, eine Installation aus blauen Pferden, so gross wie Ziegen. Mir war nicht wirklich klar, was ich mit dem Bild anfangen sollte und so betrachte ich es nun als entfernten Verwandten von Amélie Bodenmanns Werken. Nur kurz sind ihre Eisskulpturen sichtbar, bevor sie durch ihr Schmelzen zur Pfütze werden. Ein zweites Bild kommt dazu – Birdwatching – und begleitet das erste wie ein wellenartiges ASMR- Hintergrundrauschen. Die Skulpturen sind klar und hübsch und überraschend unordentlich. Meine beiden Bilder liessen sich zu einem Joint drehen und wegrauchen. Mir würde es nichts aus- machen.
Der Autor Jorge Luis Borges hat eine Kurzgeschichte mit dem Titel ‘On exactitude in Science’ geschrieben. Er beschreibt darin ein Reich, dessen Kartografen bei ihrer Arbeit übertrieben neurotisch vorgehen: sie zeichnen Karten, die das Reich in Grösse und Detail eins zu eins kopieren und beginnen so, das gesamte echte Reich zu überschrei- ben. Medjid Sopis Karten lassen sich von dieser Geschichte nicht aus der Ruhe bringen. Sie würden ihr, wenn schon, direkt ins Gesicht lachen. Er verkleidet seine Karten mit bunten Kreisen, Collagen und Bergen wie rohe Steaks. Wenn es in Borges Geschichte um den wissenschaftlichen Gehalt geht, dann erzählt Medjid Sopis Arbeit von einem Archäologen, der vor einer Grube steht, hypnotisiert vom weissen Marmor der darin liegenden Statue. Medjid Sopis Schulbücher wurden gestapelt wie solide Fakten, sie befinden sich im ersten Raum. Und manchmal scheint es nur vernünftig, darauf zu bestehen, ein Fakt zu sein.
Text von Noah Merzbacher
(Übersetzt)


























Fotos von Leevi Toija.
- Tamara Vepkhvadze, *2003 in Tbilisi, lebt und arbeitet in Zürich
- Medjid Sopi
- Luca Büchler, *1996 in Zürich, lebt und arbeitet in Wien und Zürich
- Amélie Bodenmann