Studio Chantal - nothing but everything
Michael Bodenmann, Patrick Cipriani, Felix Jungo, Jiří Makovec, Fabio Marco Pirovino, Barbara Signer, Sebastian Stadler, Benedikt Stäubli, Jiajia Zhang
Zeiten:
Eröffnung:
Mittwoch, 15. September 2021, 16–20 Uhr
Bei einem Weiler - zu Englisch „Hamlet“ (der Spass sei an dieser Stelle erlaubt) - handelt es sich um eine kleine Gruppe von Gebäuden, welche in der Regel viel kleiner ist als ein Dorf. Ein Weiler ist weder politisch noch ökonomisch autonom, geografisch und demografisch jedoch klar definiert. Bewohner*innen eines Weilers teilen sich Ressourcen: Das können Brunnen oder andere Wasser- versorgung sein, Erschliessung der Gebäude und Verbindung zu Strassen oder Elektrizität. Wohl sind die Nachbarn im Weiler auch die ersten, die in einem Notfall zu Hilfe eilen, aber wie alle Nachbarn auch die ersten mit denen es sich in Streit geraten lässt. Die Nähe, bei gleichzeitiger Verschiebung zu allem, das sich ausserhalb befindet, ist dabei wohl entscheidend. Der Weiler ist auf sich alleine gestellt und steht politisch und ökonomisch dennoch in Abhängigkeit und Verbin- dung zu sich und dem Rest der Welt.
Wie sich ein Weiler, eine Ortschaft oder eine Firma benennt, ist mit ausreichend historischem Abstand manchmal schwer nachzuvollziehen. Im vorliegenden Fall heisst die Zusammenrottung von Künstler*innenateliers Studio Chantal. Irgendwie muss das Ortsschild oder der Briefkasten ja angeschrieben werden.
Ein kleiner Ort, eine überschaubare Community und geteilte Ressourcen führen zu einer ganz anderen Form der Intimität, als vom Leben in einer Stadt oder einem Einfamilienhäuschen mit genügend Umschwung gewohnt. In einer stillen Nacht ist der Streit der Nachbarsfamilie, das Weinen eines Babys oder die Feier eines glücklichen Ereignisses für alle hörbar. Oft sind sogar alle Teil davon. Am nächsten Tag, in der einzigen Kneipe des Ortes, wird nachgefragt, was denn passiert sei, ob Hilfe benötigt ist oder ob zusammengespannt werden kann um ein Problem zu lösen. Tauchen die Nachbarn nicht in der Kneipe auf, so wird gelästert und gestänkert, geneidet und intrigiert.
Die Momente des Zusammenkommens generieren das tägliche Leben einer kleinen Schicksalsge- meinschaft. Träume, Erinnerungen und Wünsche von fernen Orten werden gemeinsam entwickelt, Mythen geschaffen, Beziehungen entstehen und zerfallen. Besitz und Territorium werden ebenso verhandelt wie die gemeinsamen Ressourcen und Lebensgrundlagen. Über das Gemeinsame wird ebenso gestritten und sich geeinigt wie das Individuelle beäugt und auf seinen Einfluss auf das Ganze bewertet wird. Wo die genaue Trennung oder Grenze zwischen dem Gemeinsamen und dem Individuellen, dem Innen und Aussen, liegt, ist dabei nicht immer eindeutig. Manchmal ist
es nichts, manchmal ist es alles, oft ist es sogar beides gleichzeitig.